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Die verpasste Revolution?

von Weert Canzler und Andreas Knie, Wissenschaftszentrum Berlin

Täuschen wir uns oder naht die Neuerfindung des Automobils? Überall wird von „Grünen Autos“ gesprochen, die mit Strom fahren und die Umwelt schonen. Elektroautos sollen die Welt und die Industrie gleichermaßen retten. Opel will als Rettungspfand solche Autos produzieren und selbst die Beteiligung von Abu Dhabi an Daimler scheint ausschließlich dem Elektroauto gewidmet zu sein. Die Strombranche ist ebenfalls mit von der Partie. Kein Versorgungsunternehmen, das nicht den Betrieb von kleinen Testflotten angekündigt hat. Schließlich hat dieser Tage auch die Bundesregierung grünes Licht gegeben und für alle Aktivitäten von Industrie, Kommunen und Wissenschaft noch 500 Mrd. Euro aus dem Konjunkturpaket II draufgepackt.

Innovativ Beschäftigung sichern und zugleich etwas zur Rettung des Klimas tun, da kann wohl niemand etwas dagegen haben. Der Strom soll aus regenerativen Quellen stammen. Dies ist schon deshalb mehr als ein Lippenbekenntnis, weil der saubere Strom in Größenordnung produziert wird, dass er nicht immer und zu jeder Tageszeit auch Abnehmer findet und nachts auf der Leipziger Strombörse der Einfachheit halber auch schon mal verschenkt wird. Elektroautos könnten hier - ein intelligentes Netzmanagement vorausgesetzt - neue Abnahmemöglichkeiten garantieren. Eine postfossile Verkehrswelt wäre umweltpolitisch ein großer Schritt und innovationspolitisch ein wirklicher Durchbruch.

Mit der Ölkrise 1973 wurde vielen Menschen die Abhängigkeit zum Öl bewusst. Daimler und Volkswagen gründeten ein Gemeinschaftsunternehmen zur Entwicklung und Produktion von elektrischen Straßenfahrzeugen. Prototypen wurden in den Entwicklungshallen.versteckt. Die Batterieforschung wurde vernachlässigt, das rächt sich jetzt im Wettkampf um die Innovationsführerschaft.

Die erste Elektro-Revolution erlebte die USA. In den 80ern ordnete der Bundesstaat Kalifornien nach Jahren leerer Versprechungen der Automobilindustrie und entgegen den Interessen der Ölindustrie an, dass zwei Prozent aller zugelassenen Auto einen Elektroantrieb haben müssten. Ausgelöst wurde damit ein langjähriger Kampf zwischen der Regierung in Sacramento und den Interessen der Automobilindustrie. Kaliforniens Clean Air Act löste technische Innovationen aus, die bis heute ihresgleichen suchen. General Motors entwickelte den EV one - eine futuristisch anmutende Flunder.

Wenn man das Leitbild der "Rennreiselimousine" zurückstellt und ein Auto als Teil integrierter Mobilität denkt, ergeben sich innovative Einsatzgebiete für Elektroautomobile. 100 Kilometer Reichweite der Elektroautos reichen völlig aus. Der aktuelle Stand der Batterietechnik genügt für 90% der täglichen Fahrwege. Das Elektroauto wird zum vernetzen Auto. Es ergänzt den öffentlichen Verkehr, wo Busse und Bahnen nicht fahren. Carsharing-Modelle erlauben Zugang via Handy, ohne das eine Vorbuchung nötig wäre.

Elektromobilität stellt die Lösung für Schwierigkeiten der öffentlichen Verkehrsanbieter dar, ein wirklich umfassendes Nutzungsangebot zu entwickeln. Mit einer Mobil-Card lassen sich dann alle Verkehrsmittel gleichberechtigt nutzen und abrechnen.

mehr über die Mobil-Card

Gleichzeitig kann auch die Nachfrage für individuelle Fahrleistung bedient werden. Es wundert daher, dass öffentliche Verkehrsanbieter nicht schon früher Treiber der Mobilitätsrevolution waren. Ein Elektroauto ist so gesehen die individuelle Ausgabe moderner Automobilität in einem Mobilitätsnetzwerk. Wenn Stromkonzerne und öffentliche Verkehrsunternehmen nun intensiv nach integrativen Lösungen suchen, dann kann die Revolution doch noch kommen.

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http://www.wzb.eu

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