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Mehr oder weniger Technik?

von Nikolai Wolfert

Die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte ihrer Technisierung (als Rationalisierung von Herrschaft über Mensch und Natur). Allerdings haben die Menschen eine Welt geschaffen, die sie längst noch nicht verstehen, so der Technikphilosoph Günter Ropohl. Und auch Goethes Faust in seinem inneren Zweifel wusste: "Es irrt der Mensch, solang er strebt".

Die Gesellschaft wurde durch innovativen Wildwuchs und Technisierung hyperkomplex, d.h. unsteuerbar. Für hyperkomplexe Gesellschaften, die auch noch hyperdynamisch sind, gilt, es herrscht der Irrtum. Moderne Gesellschaften maximieren ihren (trial and) error. Eine solche Maximierung macht die Welt zum Versuchslabor, bei dem alle dabei sind. Angesichts der Tatsache, dass wir nur eine Welt haben, sollten die errors im Bereich des Beherrschbaren bleiben. Sind sie aber nicht mehr, weil Unternehmen wie Monsanto, Siemens, DaimlerBenz anarchistisch sind und Profite vor allem anderen vorziehen. Einsatz und Verbreitung von Innovationen erodieren Stabilität und Steuerbarkeit der Gesellschaft. Dramatisch formuliert: Die kreativen Zerstörer sind die organisierten Anarchisten, die die Welt in die Krisen stürzen. Innovation dient vor allem der Profitmaximierung. Diese Unternehmen haben Innovation zum Mantra erhoben. Sie üben Innovation als Ersatzreligion ein. Blinde Innovationwut und Fortschrittsglaube, der in Fortschrittszwang mutiert, treiben die Welt rascher in die Unsteuerbarkeit. Hier müssen Lösungen geschaffen werden und zwar demokratische.

Die Frage "ob mehr oder weniger Technik" lässt sich in die Frage "welche Technik brauchen wir" umformen. Diese wird notwendig, um in der innovativen Wildwuchs-Variation zu selektieren. Wir können nicht alle technischen Innovationen auf die Welt loslassen. Die Welt ist kein Testlabor für Genmais oder Fusionsreaktoren. Die Selektion der Innovation ist notwendig, um die Gesellschaft wieder zu restabilisieren und steuerbar zu machen. Dies ist im Sinne aller, auch im Sinne rücksichtsloser Innovatoren.

Wer bestimmt welche Technik wir brauchen? Das tut die Innovationspolitik. Allerdings muss klar sein, dass diese Politik die Bürgerinnen und Bürger miteinbezieht, denn nur so können Folgen in der Gesellschaft (und auch der Natur) umfassend und lokal abgeschätzt werden.

Auf eine von Günter Ropohl gestellte doppelte Frage "Brauchen wir die Technik, die wir haben? Haben wir die Technik die wir brauchen?" kann entschieden mit einem doppelten Nein geantwortet werden.

Nein, wir brauchen die Technik (Fernseher, Verbrennungsmotor, Glühbirne) nicht. Kein Mehr an Klima (Verbrennungsmotoren) und Menschen (x) schädigender Technik. Für Schumpeter läge hier ein großes Feld für kreative Zerstörung an.

Nein, wir haben nicht die Techniken, die wir brauchen. Für bestimmte Innovationen liegt das Potenzial offen, eine andere, eine bessere Welt schaffen zu können.

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