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Stichwort Produktionismus

von Nikolai Wolfert

Eine Gedankenübung: Alle Menschen leben in einer Welt, in der alle Handys, Autos, Laptops besitzen. Diese Waren sind äußerst robust und halten 500 Jahre. Was passiert dann, wenn alle alles haben und nichts mehr produziert werden muss?

Wozu diese Übung? Nach der Krise muss Produktion und Produktivität neu gedacht werden, um sie neu zu erfinden. Aber warum müssen wir neu denken?

Vater und Kind

Heutzutage ist es populär den Konsumismus zu geiseln. Dies verkürzt, woher der Konsumismus kommt. Der Konsumismus ist ein Kind des Produktionismus. Der Konsumismus ist eine Folgewirkung. Wer allein den Konsumismus kritisiert, ist blind für die tatsächliche Ursache: den Produktionismus. Adorno beschrieb das so: "An der Einheit der Produktion soll der Freizeitler sich ausrichten". Der Aufstieg des Produktionismus ist also die Triebfeder für den Konsumwahn.

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Die Produktion von Produktion

Der Aufstieg des Konsumismus wurde nur möglich durch die massive Steigerung der Produktion. Weil mehr produziert wurde, konnte mehr konsumiert werden. Weil mehr Nachfrage vorhanden war, wurde wieder mehr produziert. Eine sich selbst verstärkende Wechselwirkung bis hin zur symbolischen Konstruktion von Erwartungen der Produktivität in der Zukunft. Nun sind wir an einem epochalen Scheideweg angelangt. Die Produktion hat sich zum Produktionismus verunstaltet. Die produktive Ausweitung hat ökologische und soziale Grenzen rücksichtslos übersprungen. Der Produktionismus ist an einem Punkt, wo er sich eigentlich selbst abschaffen könnte, dies tut er aber nicht. Stattdessen muss der Produktionismus weiter Produktion (von Fleisch, Handys oder Autos) produzieren, obwohl eigentlich keine Produktion(-ssteigerung!) mehr nötig wäre. Die Überkapazitäten müssen in den Markt geschmissen werden. Die ökologisch-sozialen Belastungsgrenzen weggewischt. Die Produktions(über-)kapazitäten müssen ausgelastet werden, egal ob das nachhaltig ist oder nicht. Es geht nur um die Steigerung von Produktion, sonst nichts.

Zwei Beispiele:

Die Eindampfung der Garantie: Neue Elektrogeräte haben nur noch eine Garantie von 2 Jahren. So erzwingt der Produktionismus sinkende Garantien von der EU, damit die Produkte schnell veralten und Produkte neu produziert werden müssen.

Das Abwracken von Nichtabwrackwürdigem: Der Produktionismus geht sogar noch weiter. Er muss Autos abwracken, die noch funktionstüchtig sind, damit der Markt geräumt wird und frei ist für weitere Nachfrage, welche neue Produkte benötigt.

Magische Machtspiele

Um sich selbst zu erhalten und sich selbst anzutreiben zieht der Produktionismus alle hinein und verzaubert sie: ArbeiterInnen, KundInnen, Politik und Umwelt. Erst wurde Produktion politisch, dann hegemonial. Der Produktionismus schwang sich auf zur herrschenden Meinung. Die Parole lautet so: "Produktion schafft Arbeitsplätze und Wohlstand." Der Produktionismus hat sich darüber hinausgewagt und produziert in kaum noch übersehbarem Maß Umweltzerstörung. Die politischen Kapitalien "Arbeitsplätze" und "Arbeiterwohlstand" nutzt er strategisch, um seine Interessen durchzusetzen. Seine illegitimen Destruktionen verschleiert er: Atomkraftwerke sind Umweltschützer!!!!!!!!! Atomkraftwerke haben nichts mit dem Millardengrab Asse zu tun!!!!!!!! Hex, hex. Der Produktionismus steuert den medialen Diskurs. Damit verpestet er nicht nur die Luft, sondern auch die kritische Meinung der Öffentlichkeit. Dies tut er so lang wie möglich nur um Macht und Profite zu erhalten.

Zur dümmsten Kampagne seit es Atomkraft gibt

In seinem Machtwahn gestaltet der Produktionismus seine NachfragerInnen (Saysches Theorem), in dem er sie mit Werbung manipuliert (Adornos Kulturindustrie). Dem Produktionismus, der auf Nachfrage angewiesen ist und diese daher erzwingen muss, wohnt inne, dass er kurzlebige Waren produzieren (muss) und an KundInnen verkaufen (muss), die nicht nachhaltig denken (sollen), um so bald wie möglich wieder neue (also alte) Nachfrage zu erzeugen. Deshalb sinken die Garantien auf Produkte, deshalb sinkt die Produktqualität, deshalb steigt der Elektro-und Autoschrott, deshalb steigt die Zahl der Produkt(schein-)innovationen.

Nokias Ziel ist es, dass der Kunde alle 2 Jahre sein altes Handy austauscht. Nach dem Interesse der Automobilindustrie sollen Altwagen nach 9 Jahren abgewrackt werden. Steckt hinter der Logik des Produktionismus noch irgendeine Vernunft?

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