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Politische Rahmenbedingungen für die Elektromobilität

von Georg Werckmeister

Allenthalben ist eine gewaltige Aufbruchstimmung für die Elektromobilität zu spüren. Es ist faszinierend zu verfolgen, wie sich dieser Umbruch in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft vollzieht. In den Umweltverbänden, die den Elektroantrieb entschieden bekämpft haben, geht auch jetzt der Sinneswandel nur langsam vonstatten. Greepeace und die Effizienzfraktion des Wuppertal-Instituts sind noch dagegen, während BUND und VCD herumeiern. Es ist auch nicht so wichtig, obwohl die Umweltbewegung gezeigt hat, welche gesellschaftliche Durchsetzungskraft sie hat. Man kann wetten, dass sie - wie im Fall der erneuerbaren Energien - in fünf oder zehn Jahren sagen werden, dass sie zu den ersten Vorkämpfern des sauberen Antriebs gehört haben. Nach dem Weggang von Axel Friedrich ist auch das Umweltbundesamt kein Vorposten der Gegner des Elektroantriebs mehr.

Viel wichtiger ist die Automobilindustrie mit ihren Zulieferern. Denn sie müssten eigentlich, wie sie es fast täglich ankündigen, die neuen Autos bauen, weil sich hier nicht - wie im Energiesektor - eine breite mittelständische Industrie aufgestellt hat. CityEl und TWIKE sind die einzigen geblieben. Aber die Planung der Automobilfirmen ist noch über viele Jahre weit überwiegend auf Optimierung und Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors gerichtet. Die umweltpolitische Begründung dafür lautet: da diese Antriebsform noch lange dominieren werde, müsse sie auch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten - Greenwashing eben. Dabei bleibt für den Elektroantrieb natürlich wenig Raum, und er wird weit in die Zukunft verschoben, soll noch möglichst lange ein Nischendasein fristen. Und das, obwohl der Daimler-Chef im selben Atemzug sagt, in einem darwinistischen Auswahlprozess würden nur diejenigen überleben, die diesen Wandel schaffen. Man kann nur hoffen, dass die Kooperation mit Tesla und Evonik dafür ausreicht.

Es entbehrt nicht der Tragik: Die riesigen Heerscharen der jetzigen Automobilbauer sind alle auf - noch dazu hochgezüchteten - Maschinenbau getrimmt. Sie haben Angst, einen Schlag zu bekommen, wenn sie bei einem Elektroauto auch nur die Tür aufmachen - ja, sie dürfen es gar nicht, wie unlängst ein hochrangiger VW-Mensch berichtete. In den Kfz- Werkstätten ist es nicht anders. Die müssten nun alle umgeschult werden, oder neues Personal eingestellt werden, aber dafür gibt es die Ausbildungskapazitäten gar nicht. Also ruft man nach dem Staat, statt es selber in die Hand zu nehmen. Als die EDV hochkam, konnte man noch gar nicht Informatik studieren; da mussten die Firmen selber lauter Fachfremde umschulen.

So haben wir es mit einem fast naturgegebenen gewaltigen Beharrungsvermögen zu tun, und die spannende Frage ist, ob die Innovationskräfte es überwinden können. Innovationsprozesse verlaufen übrigens fast immer so. Es ist ja nicht gesagt, dass der Wandel im Inland geschehen muss. Die Chinesen etwa machen keinen Hehl daraus, dass sie mit unserer höchstentwickelten Automobiltechnik von Otto- und Dieselmotoren keine Chance haben gleichzuziehen. Sehr wohl ist das aber bei der Elektrotechnik und Elektrochemie der Fall. Zum einen ist der Elektroantrieb technisch wesentlich einfacher zu beherrschen, hat auch dramatisch weniger Fertigungsvolumen, was die Umstellung vor allem für die Arbeitnehmerseite bei uns noch einmal schwieriger macht. China hat inzwischen millionenfache Erfahrung damit, vor allem auf dem Zweiradsektor. Zum anderen gilt das für die Batterien, wo China bei Handys und Laptops umfangreiche und erfolgreiche Erfahrungen gesammelt hat. Bei uns wurde die Batterietechnik gezielt heruntergefahren und ins Ausland gegeben. Die Batterien sind der Schlüsselfaktor und machen etwa die Hälfte des Wertes eines Elektromobils aus (jedenfalls so lange man der heute noch als abwegig angesehenen Meinung nicht folgt, dass Fahrzeuge ihren Strom auch über Leitungen beziehen können). Der chinesiche Staat hat jedenfalls ein ehrgeiziges und sehr konkretes Programm aufgelegt, mit dem er die Elektromobilität durchsetzen will. So kann es geschehen, dass aus einer Schwäche eine Stärke wird, aber umgekehrt bei uns die großen Erfolge im konventionellen Automobilbau zum Hemmfaktor für die Chancen des Neuen werden. VW hat jüngst ein Abkommen mit der chinesischen Firma Build Your Dreams geschlossen, die über große Erfahrungen mit Batterien verfügt und mit einem Elektroauto auf den Markt kommen will. Hoffen wir, dass das hilft.

Der dritte entscheidende Faktor für die Durchsetzung dieser Innovation ist die Politik. Als in den 90er Jahren das damalige BMFT (Bundesministerium für Forschung und Technologie) gemeinsam mit der Autoindustrie einen Großversuch auf der Insel Rügen unternahm, um die Elektromobilität voranzubringen, wurde es von der Industrie grandios ausgebremst. Also: Der Staat wollte das Richtige, ließ sich aber von der Industrie daran hindern. Heute kann man den Scherbenhaufen besichtigen. Noch deutlicher wird dies an der Entwicklung in den USA: In Kalifornien wurde ein Gesetz erlassen, dem zufolge jeder Hersteller bis 1998 zwei Prozent Nullemissionsfahrzeuge auf den Markt bringen musste, bis 2001 fünf Prozent und bis 2003 zehn Prozent. Unter dem Druck dieses Gesetzes entwickelte Toyota seinen Hybrid und wurde erfolgreich auf dem Markt. GM entwickelte den EV1 (Electrical Vehicle No 1), brachte aber zusammen mit anderen OEMs, darunter Chrysler und Daimler, das Gesetz zu Fall. Als das gelungen war, verschrottete GM sämtliche EVs. Heute ist GM ebenso pleite wie Chrysler und kommt reuevoll auf sein EV1 zurück, nur dass es jetzt Chevrolet Volt oder Ampera heißt.

Was kann man, was müsste man daraus lernen? Dass es durchaus Fälle gibt, in denen der Staat der Industrie im Interesse ihres eigenen Überlebens (und der Arbeitsplätze, und der Volkswirtschaft) die "richtige" Lösung vorschreiben sollte. Und was ist richtig? Was keine Abgase ausstößt, kein Treibhausgas, kein Öl braucht, effizient und kostengünstig ist und von den Kunden auch gekauft wird.

Nun hat die Bundesregierung mit dem Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität die Weichen in die richtige Richtung gestellt. Nur ist dieser Plan noch ein wenig zu unkonkret und zu zaghaft. An Rahmenbedingungen nennt er:

Welches die langfristigen Rahmenbedingungen sein sollen, scheint damit noch nicht ausgesagt zu sein. Nur aus Phase 3 und 4 lässt sich erschließen, dass möglicherweise Fördermaßnahmen gemeint sind. Das ist aber vielleicht nicht ausreichend, wenn man an die massiven oben aufgezeigten Hemmfaktoren und Erfahrungen denkt. Deshalb sollen im folgenden einige der in der Diskussion befindlichen Optionen benannt werden, die geeignet sein könnten, das erstrebte Ziel auch zu erreichen. Dazu gehört in jedem Fall auch das Ordnungsrecht.

Es wird deutlich, dass es sich hierbei um Rahmenbedingungen auf der politischen, nicht der operativen Ebene handelt, wie sie ohnehin Solarmobil Zeitschrift Nr. 74 - August 2009 - 3 - zwingend erforderlich sind, z. B. für den Aufbau einer Ladeinfrastruktur, Nutzervorteile für Elektromobile und dergleichen. Klar ist auch, dass die Machtbedingungen die Durchsetzung solcher Optionen eigentlich nicht sehr realistisch erscheinen lassen. Aber vor nicht einmal zwei Jahren hatte der Vorstand des bsm sich zum Ziel gesetzt, dass die Elektromobilität wenigstens als eine Konzeption neben den anderen bis dahin favorisierten Lösungen wie Wasserstoff, Brennstoffzelle, Erdgas usw, aufgeführt werden sollte. Und was wurde seit damals erreicht! Deshalb gilt immer noch der alte Spruch: Du hast keine Chance - nutze sie!

CETERUM CENSEO COMBUSTIONEM ESSE DELENDAM.

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