Zurück zur Startseite

Ideenschmiede für junge Leute

von Andrea Zwicknagl und Judith Behnen, weltweit

Gute Geschäfte bauen auf Innovationen. Und Innovationen leben von guten Ideen. Eine einfache Weisheit. Doch wie kommt man an die Ideen, wer entwickelt sie, wie prüft man ihre Tauglichkeit? Auch dafür braucht es eine gute Idee, eine wie I-CELL. Benedikt Triatmoko, indonesischer Jesuit und Direktor des Technologie-Zentrums ATMI (Akademi Technik Mesi Industrie) erklärt die Idee von I-CELL: "Der Schlüssel zum Aufbau einer starken Wirtschaft sind junge Menschen mit neuen zündenden Ideen. Wir geben ihnen den Raum, um in interdisziplinären Teams ihre unverbrauchte Kreativität zu entfalten."

Eine Chance für Studierende

Für Pater Triatmoko steht dabei ein Gedanke ganz wesentlich im Mittelpunkt: Teamwork. "Neue Technologien sind nur der Startpunkt, zuvor braucht es effektive Teamarbeit verschiedener Disziplinen, um Probleme oder Marktnischen zu identifizieren und neue Lösungsansätze vom Konzept bis hin zur Umsetzung zu entwickeln." Nachdem Pater Triatmoko die deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und auch die Regierung von Java für die Finanzierung seiner Idee gewonnen hatte, konnte I-CELL als Pilotprojekt starten. Studierende und junge Absolventen verschiedenster Fachrichtungen aus ganz Indonesien konnten sich für die Teilnahme bewerben. Kristianto Nugroho, einer der Bewerber erzählt: "Ich studiere in Yogyakarta Internationale Betriebswirtschaftslehre. Ich habe mich riesig gefreut, als ich zum Bewerbungsgespräch für I-CELL eingeladen wurde. Ich erzählte von meinem Traum, dass mein Motorrad eines Tages mit nichts anderem läuft als mit Wasser. Nun, so weit sind wir noch nicht, aber mein anderer Traum " ein Startup- Unternehmen zu gründen, das sich mit Bio-Treibstoffen befasst " wird jetzt durch I-CELL Wirklichkeit."

Drei Teams, drei Aufgaben

Kristianto ist einer der 15 jungen Männer und Frauen, die aus einer Vielzahl von Bewerbungen ausgewählt wurden, um in drei Teams folgende Problemstellungen zu bearbeiten: Das Team 21 zu dem Kristianto gehört, entwickelte neue Methoden, um aus der lokal angebauten und sehr ölhaltigen Jatropha- Nuss Bio-Treibstoff für die Landwirtschaft zu gewinnen. Jatropha-Nüsse sind sehr anspruchslos und wachsen selbst auf kargen Böden, so dass die Gewinnung von Bio-Treibstoff neue Einkommensmöglichkeiten für arme Bauern sein könnte.

Ein zweites Team beschäftigte sich mit Seegras. Aus Seegras lässt sich Carageen herstellen, das in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie als Gelier- und Verdickungsmittel eingesetzt wird. Um den Fischern an der Ostküste von Java ein höheres Einkommen zu ermöglichen, nahm das Team die lokale Herstellung und Vermarktung von Carageen in Angriff.

Das dritte Team untersuchte am Beispiel der Textilindustrie der indonesischen Stadt Solo Möglichkeiten, die als Abfall anfallende giftige Kohleschlacke gewinnbringend und umweltgerecht zu verwerten. "In Zentral-Java gibt es keine Entsorgungs- oder Umweltindustrie für Kohle, obwohl es sehr viel Industrie gibt, die Kohle als Kraftstoff verwendet. Deshalb ist es für uns eine große Chance, in dem Bereich etwas aufzubauen", erklärt das Team- Mitglied Maya Kusumaningtyas, eine junge, frisch diplomierte Wirtschaftswissenschaftlerin.

Ein kreativer Mix

Jedes der drei Teams ist bunt gemischt. Wirtschaftswissenschaften, Chemie, Maschinenbau, Marketing - verschiedene Fachrichtungen, Kulturen, Religionen und Persönlichkeiten sind vertreten. Die Vielfalt soll den kreativen Austausch fördern. Doch zuvor müssen sich alle auch mit den ihnen fachfremden Aspekten des Problems befassen. Alfonsus Tefa, als Mechatroniker im Bio-Treibstoff-Team, fasst seine Erfahrungen zusammen: "Zu Beginn konnte ich kaum folgen, als uns unser Trainer irgendwelche komplizierten chemischen Reaktionen erklären wollte. Genauso ging es den anderen Team-Mitgliedern, ausgenommen natürlich unserem Chemie-Talent. Aber nach einer Weile haben wir uns besser kennengelernt. Jeder bringt etwas aus seiner Fachrichtung ein, wir sehen den anderen Hintergrund, die andere Art des Denkens, das andere Paradigma - das ist einfach wunderbar!"

Zupackender Idealismus

Vier Monate haben die drei Gruppen auf dem Gelände von ATMI zusammen gewohnt, oft bis spät in die Nacht an ihren Fragestellungen und Projekten gearbeitet, sind zu eingeschworenen Teams gewachsen und haben auch viel Spaß miteinander gehabt. "I-CELL ist eine aufregende Art zu lernen", findet Chemiker Noto Raharjo, "wir denken uns selbst und sind wir selbst." Pater Triatmoko geht es auch um Persönlichkeitsbildung mit I-CELL. Bewusst hat er Aufgabenstellungen ausgewählt, die als Komponenten wissenschaftliche Analyse, unternehmerisches Denken und Orientierung am Gemeinwohl enthalten. Alle fünfzehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben genaue Vorstellungen, was sie in ihrer Zukunft erreichen möchten: "Ich träume davon, als Forscherin Medikamente gegen Krebs zu entwickeln, HIV/Aids zu bekämpfen, epidemische Krankheiten zu untersuchen", sagt die junge Chemikerin Eni. Und der Ingenieur Haryo Prakosa meint: "Ich habe das Abfall-Verwertungsprojekt wegen der Menschheit gewählt. Ich möchte dazu beitragen, unseren Planeten Erde zu retten."

Tragfähige Netze

Ein weiterer Aspekt des Innovationsmanagements ist die Vernetzung der zukünftigen Jungunternehmer mit erfahrenen Experten. I-CELL mobilisiert die Geschäftswelt für neue Ideen: Industrie und Investoren, Politik und Universitätsprofessoren, alle sind potenzielle Ansprechpartner. "Unser Team hatte ein Treffen mit der kommunalen Regierung organisiert", erzählt die Wirtschaftsingenieurin Shelawati Wahono. "Sie sollte uns helfen, Industrieunternehmen zu kontaktieren, die Probleme mit der Entsorgung von Kohleabfällen haben. Am Vortag des Termins erhielten wir einen Anruf: Das Treffen war vorverlegt worden und wir sollten schon in wenigen Stunden zum Bürgermeister kommen. Wir waren alle total schockiert und bereiteten schnell eine Präsentation vor. Das Peinliche war, dass ich ausgerechnet an diesem Tag schlecht gekleidet war. Dafür habe ich mich sehr geschämt. Denn ich war diejenige, die präsentieren sollte. Aber natürlich war ich auch stolz auf mich. Dieses Erlebnis war für uns alle eine Warnung, immer gut vorbereitet zu sein und für alle Fälle auch einen Anzug oder ein Kostüm im Büro hängen zu haben."

Visionen für eine bessere Welt

Alle Teams haben mittlerweile die ersten fünf Phasen von I-CELL bewältigt: von Teambuilding über Problemanalyse und kreatives Brainstorming bis hin zu Ideenauswahl und Projektentwicklung. Nach vier Monaten harter Arbeit kommt jetzt die letzte Stufe und der Höhepunkt: Vor über 200 Sponsoren und Investoren präsentieren die drei Teams ihre ausgearbeiteten Projekte. Nun entscheidet sich, welche Gründungsidee tatsächlich umgesetzt wird. Pater Triatmoko ist sehr zufrieden mit den Ergebnissen: "Wir haben Ideen entwickelt, die für gute Geschäfte taugen, und wir haben junge Menschen qualifiziert, diese Ideen auf den Weg zu bringen. So entsteht Zukunft." Die nächste I-CELL Runde hat er längst geplant. Aber das Feuer im Herzen des innovativen indonesischen Jesuiten brennt weiter: "I-CELL ist multiplizierbar auf andere Regionen und andere Probleme. Mein Traum ist es, dass junge Leute in aller Welt entwicklungspolitische Fragen von Armut und Ungerechtigkeit mit unserem Innovations-Knowhow angehen." Dafür braucht es Institutionen, die Geld und Zuversicht investieren wollen. Und es braucht etwas, das überall auf der Welt zu finden ist: junge, mutige, kreative Menschen.

Zur weltweit

Seitenanfang