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Innovationsbündnisse schaffen

von Karin Robinet und Stefan Zundel

Wie könnte das Gegenleitbild zur etablierten Umwelttechnikförderung aussehen? Hierüber gibt es bislang keinen Konsens. Notwendig sind deshalb sowohl die Bewertung des ökologischen Erfolgspotenzials von Technologiepolitik als auch Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Umweltpolitik und den Innovationsaktivitäten der Industrie. Die AutorInnen stellen die Bedingungen für eine innovative Neuorientierung der Umwelttechnikentwicklung vor.

Traditionell gibt es zwei Begründungsmuster für Technologiepolitik. In der ordnungspolitisch orthodoxen Variante wird die Auffassung vertreten, dass eine Technologieförderung mit den Mitteln des Staates dann und nur dann geboten ist, wenn Marktunvollkommenheiten (informationsdefizite der VerbraucherInnen, Markt- und technologiebeherrschende Kartelle/Monopole) dies rechtfertigen können. Ansonsten sollte die Technologiepolitik auf die Förderung der Grundlagenforschung beschränkt bleiben. Demgegenüber wird von Vertretern der industriepolitischen Richtung eingewandt, dass ein Mithalten Deutschlands im internationalen Technologiewettbewerb gezielte staatliche Interventionen zugunsten der sogenannten Zukunftstechnologien erfordere. Zu den Zukunftstechnologien zählt man gemeinhin auch die Umwelttechnik. Beide Positionen sind theoretisch defizitär.

Die orthodoxe Position übersieht, dass der Markt keineswegs immer als Selektionsinstrument fungiert. Die Umweltschutzproblematik, die in Teilen auch mit Marktversagen begründet werden kann, belegt diese Kritik. Hinzu kommt jedoch: Richtung und Ausmaß der Innovationstätigkeit wird auch von Faktoren bestimmt, die allenfalls indirekt mit dem Marktmechanismus in Verbindung stehen. Innovationsparadigmen haben ein eigenes Momentum , das auch dann noch wirkt, wenn die Marktsignale längst in eine andere Richtung zeigen. Auch unter den neuen Problemlösungen setzt sich nicht einfach die technisch beste Lösung auf dem [unternehmensstrukturierten; NW] Markt durch. So ist beispielsweise die andauernde, marktbeherrschende Stellung der Firma Microsoft weniger in der technischen Überlegenheit ihrer Produkte gegenüber der Konkurrenz begründet. Sie ist vielmehr darauf zurückzuführen, dass sich die einmal erfolgreich durchgesetzte, allgemeine Verbreitung der Microsoft-Betriebssysteme auch in einer Vielzahl von Anwendungsprogrammen für diese Systeme niederschlug und die Kunden zudem aus Gründen des einfachen Datenaustausches und der Kommunikation zwischen PCs vor dem Sprung in andere "Betriebssystem-Welten" zurückschreckten.

Umgekehrt überschätzt die industriepolitische Position regelmäßig die Steuerbarkeit innovativer und unternehmerischer Prozesse. Diese sind komplex und dementsprechend schwer zu antizipieren. Kostspielige Fehlausgaben sind in Deutschland [transrapid, Fusionsreaktoren, Forschungslager ASSE], aber auch in Japan häufig zu beobachten und für manche Probleme werden technische Lösungen [z.B. Nacktscanner] gesucht, obgleich hier ein Eingriff in die Strukturen angebracht wäre. Als eine solche Fehlallokation könnte man auch die bisherige Verteilung öffentlicher Fördergelder für Umweltschutztechnik bezeichnen.

"End-of-the-pipe" versus "integriert"

In der umweltpolitischen Diskussion besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die bislang verfolgte Strategie der Gefahrenabwehr durch eine Strategie der Vorsorge und Nachhaltigkeit ersetzt werden muss. Dies setzt u.a. auch eine innovative Neuorientierung in der Umwelttechnikentwicklung voraus. Der vielfach vorgetragene konzeptionelle Gegenentwurf zur bislang dominierenden "end-of-the-pipe-Technologie" (Filter, Klärwerke, Müllverbrennungsanlagen u.a.m.) besteht in der Forderung nach einer Kreislaufwirtschaft, bzw. eines produktionsintegrierten Umweltschutzes. Begründet wird diese Konzeption zum einen mit der Tendenz der end-of-the-pipe-Technologien zur medialen, temporären oder lokalen Verschiebung von Umweltbelastungen (Bsp.: Problemverlagerung vom Abwasser auf den Klärschlamm; über höhere Schornsteine zu sauren Seen in Schweden usw.). Zum anderen wird die progressive Kostenbelastung angeführt. Geschlossene Kreisläufe und eine sorgfältige Auswahl der Produktions- und Produktinputs sollen eine Entschärfung der genannten Probleme bewirken. Die Einlösung dieses Konzeptes wirft jedoch für die Technologiepolitik einige Fragen auf: Denn es ist keineswegs ausgemacht, dass die Kreislaufführungskonzeption immer und unter allen Umständen die ökologisch beste Lösung ist. Vielmehr gilt es folgende Einwände zu bedenken:




Diese Einwände können auch so gedeutet werden, dass es bislang keinen stabilen Konsens darüber gibt, was branchenübergreifend und kontextunabhängig als Gegenleitbild für die bislang etablierte Umwelttechnikförderung entworfen werden kann. Es geht letztlich darum, die für die jeweiligen Zwecke geeigneten und die ökologisch avanciertesten Techniken, Verfahren und Verhaltensweisen zu fördern. Wenn die Technologiepolitik hier steuern eingreifen will, dann bedarf es auch einer Bewertung ihres ökologischen Erfolgspotenzials. Modifizierte Ökobilanzen könnten eine Hilfe dazu sein, die Entscheidungsfindung und den Diskurs über die "richtige" - den Zielen der Umweltpolitik entsprechende - Technologieoption zu finden.

Bausteine einer ökologischen Technologiepolitik

Es gibt bislang jedoch auch noch keine systematischen Arbeiten zum Zusammenhang zwischen Umweltpolitik und den Innovationsaktivitäten der Industrie. Es lassen sich jedoch eine ganze Reihe von Plausibilitätsüberlegungen anstellen, die sich auf Überlegungen zur Technikgenese und empirischen Untersuchungen zur Struktur und Entwicklung des Umweltschutzmarktes stützen. Aus ihnen lassen sich Hinweise für innovationsfördernde und -hemmende Bedingungen ableiten, die in der Abbildung 1 übersichtsartig dargestellt sind.

Die Analyse hemmender und fördernder Faktoren zeigt, dass ein Instrumentenmix angestrebt werden muss, soll die Förderpolitik dazu beitragen, dass die "besseren" ökologischen Lösungen entwickelt und am Markt durchgesetzt werden. Was bessere Technik ist, kann der Markt nicht allein entscheiden. Die Analyse zeigt darüber hinaus, dass es nicht den zentralen Akteur gibt, der neue technologische Optionen zur Problemlösung eröffnen könnte. Andererseits wird ein nicht unerheblicher Anteil der Forschungsmittel von der öffentlichen Hand aufgebracht, womit bestimmte technologische Richtungen vorgegeben werden. Sei es High-tech-strategie oder (militärische oder weltraum-) Großprojekte.

Hat man sich erst einmal für eine bestimmte Richtung oder Strategie entschieden, dann ist es jedoch schwierig, vom vorherrschenden Innovationsparadigma [das inkrementell entlang der Pfade verläuft] Abschied zu nehmen. Von daher ist eine Pluralität bei der Vergabe von Forschungsmitteln zu fordern. Wären nämlich ähnlich hohe Fördermittel in die Erforschung regenerativer Energie geflossen, wie es bislang im Bereich er Atomtechnologie der Fall gewesen ist, würden diese heute anders am Markt dastehen und sich der Atomausstieg nicht so schwierig gestalten [lesenswert ist dazu Hermann Scheers Sonnenstrategie, 1999, S.68, Fakten politischen Zukunftsversagens]. Ähnliche Überlegungen lassen sich auch für andere technologiepolitische Optionen in der Vergangenheit und Gegenwart (Stichwort Gentechnologie versus Naturstoffchemie) anstellen.

Erfolgreiche Innovationen sind mehr als die in Patenten oder Pilotprojekten demonstrierte Machbarkeit. Von erfolgreicher Innovation kann mandann sprechen, wenn sich eine Innovation am Markt durchgesetzt hat. Es gibt jedoch eine Vielzahl von Beispielen, bei denen es ökologisch und teilweise auch ökonomisch effizienteren Lösungen nicht gelungen ist, sich am Markt durchzusetzen. [Gewählt werden strategische Lösungen.] Von daher bedarf es nicht nur der Innovationsförderung, sondern auch der Diffusionsförderung. Beispielhaft ist das EEG.

Die Technologieförderung sollte deshalb zwischen folgenden Zwecken unterscheiden:

Problematisch ist eine einzelprojektbezogene und auf einer Geber-Empfänger-Philosophie beruhenden Förderpolitik. Innovationen entstehen auf vielfältigen Wegen, nicht zuletzt auch durch eine intensive Kommunikation zwischen Wissenschaft, Herstellern und Anwendern - entlang von Produktlinien. Hemmnisse oder Blockaden bei der Durchsetzung neuartiger, umwelteffizienter Technologien liegen u.a. auch darin begründet, dass die Zusammenhänge zwischen Branchen, Betriebsgrößen und Abnehmerbedürfnissen nicht hinreichend beachtet werden. Somit sollte eine Technologiepolitik in umweltpolitischer Absicht auch von der Erkenntnis getragen werden, dass es um die Förderung von Innovationsbündnissen und Netzwerken geht. Gerade zeitaufwendige und damit personalintensive Kommunikations- und Abstimmungsprozesse werden jedoch bislang zu wenig gefördert.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Ein neues Modell der Innovationsförderung dürfte unter anderem dadurch gekennzeichnet sein, dass sich Innovationsbündnisse bestehend aus unterschiedlichen Gruppen bilden, die die soziale und institutionelle Verfasstheit der Technikentwicklung reflektieren. Wenn es Ziel der Technologiepolitik ist, die für jeweiligen Zwecke avanciertesten ökologischen Problemlösungen zu fördern, dann gilt es Abschied zu nehmen von einer rein einzelbetrieblichen und einzelprojektbezogenen Förderung. Beispiele zeigen, dass in bestimmten umwelttechnischen Bereichen die ökologischen Wirkungen der Technikförderung deutlich verbessert werden könnten, wenn überbetriebliche Innovationsverbündnisse nebst den dazugehörigen Vernetzungs- und Koordinationsleistungen gefördert würden. Darüber hinaus dürfte es erforderlich sein, den Innovationsbündnissen, die auf Zeit und auf ein bestimmtes Ziel hin angelegt werden, auch Hilfsmittel für die Entscheidungsfindung zur Verfügung zu stellen. Ein solches Hilfsmittel könnten Kriterienkataloge sein, die das ökologische Wirkungsprofil unterschiedlicher technologiepolitischer Optionen abbilden könnten. Solche Kriterienkataloge oder auch modifizierte Ökobilanzen gilt es zu entwickeln und auf Brauchbarkeit zu überprüfen.

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