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Sackgasse Atompolitik

von Sylvia Kotting-Uhl

Die Kanzlerin spricht von einer Brückentechnologie, die den Weg zu den Erneuerbaren frei machen solle. Auch der Umweltminister übt sich in grüner Rhetorik: Atomkraft habe keine Zukunft, sagt er, weil die Menschen sie nicht akzeptierten. Als Laufzeitverlängerungen nach der Bundestagswahl erst einmal ausblieben, zeigten sich die Atomkonzerne wenig erfreut.

Doch wer nun hofft, in der Union könnte ein neues energiepolitisches Bewusstsein Einzug gehalten haben, wird bitter enttäuscht. Denn die Sonntagsreden von Röttgen & Co. ändern nichts daran, dass Schwarz-Gelb für den Ausstieg aus dem Atomausstieg steht. Weil das bei den Wählerinnen und Wählern nicht ankommt, werden die Koalitionäre erst nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen sagen, wie sehr sie tatsächlich noch auf den Energieträger von vorgestern setzen. Aber hinter den Kulissen haben sie bereits knallhart Fakten geschaffen.

Schwarz-Gelb trickst bei Sicherheit

An der Spitze der Atomaufsicht hat der Umweltminister den Atomlobbyisten Gerald Hennenhöfer installiert, der vor wenigen Jahren noch für den Atomkonzern Viag um längere Laufzeiten kämpfte. Außerdem half die Regierung den Konzernen, die Altmeiler Neckarwestheim 1 und Biblis A über die Zeit zu retten - unwahrscheinlich, dass sie im Oktober stillgelegt werden, wenn die schwarz-gelbe Koalition endlich ihr Atomkonzept auf den Tisch legen will. Die baden-württembergische Landesregierung jedenfalls plant in ihrem neuen Haushalt bereits die Wassergebühren durch den Weiterbetrieb von Neckarwestheim 1 ein.

Dass zwei altersschwache Pannenreaktoren weiterlaufen sollen, beweist, dass Profit vor Sicherheit geht. Die Ankündigung, erst nach strengen Sicherheitschecks über die Verlängerung von Laufzeiten zu entscheiden, hat sich als hohles Gerede entpuppt. Besonders perfide: Mit ihrem Atomdeal will die Koalition auch das schlechte Image des Atomstroms aufpolieren. Ein paar Almosen von den Atomkonzernen sollen den erneuerbaren Energien zugute kommen und die Akzeptanz der ungeliebten Meiler verbessern. Doch die Erneuerbaren brauchen keine Atomgelder, sondern den Atomausstieg! Je länger Atomstrom fließt, desto unsicherer werden Investitionen in die Nutzung von Sonne, Wind und Wasserkraft - und der Ausbau der erneuerbaren Energien gerät ins Stocken.

Sicherheit spielt beim atomaren Rollback keine entscheidende Rolle mehr, das beweist auch die Exportbürgschaft, die Schwarz-Gelb dem Reaktorbauer Siemens/Areva spendiert. Mit bis zu 2,5 Milliarden Euro soll der Bund für den Bau eines veralteten Reaktortyps haften - in Brasiliens einziger erdbebengefährdeter Region. Dabei scheint die Atomfreunde in Union und FDP auch nicht zu stören, dass das Land über keine unabhängige Atomaufsicht verfügt. Diese Lex Siemens ist Konzernpolitik auf Kosten der Sicherheit.





















Aus Asse-Desaster nichts gelernt

Asse - Morsleben - Gorleben : Drei Namen, die dafür stehen, dass alle bisherigen Pläne für ein Endlager im Salz gescheitert sind. Morsleben wird gerade mit großem Aufwand stabilisiert, die Asse aber ist nicht mehr zu retten. Mitte Januar hat das Bundesamt für Strahlenschutz einen Plan vorgelegt, die Fässer aus dem maroden Salzstock zurückzuholen. Doch Umweltminister Röttgen laviert: Er will sich auch die Möglichkeit offen halten, den Müll untertage zu lassen, obwohl so die Sicherheitsfrage langfristig völlig offen bleibt. Aus den Fehlern der Vergangenheit hat Schwarz-Gelb nichts gelernt. Statt systematisch nach dem bestmöglichen Standort für die Endlagerung in Deutschland zu suchen, hält die Bundesregierung stur an Gorleben fest - unbeeindruckt von den Salz-Desastern Asse und Morsleben. Mehr Atommüll durch längere Laufzeiten, aber kein Endlager in Sicht: das ist der Irrweg, den Schwarz-Gelb geht.

Merkel für Fusion

Wie tief der Glaube ans Atom in der Union verwurzelt ist, offenbart Angela Merkels Bekenntnis zur Kernfusion. Geht es nach ihr, dann mündet das Zeitalter der Kernspaltung direkt in die Epoche der Kernfusion. Doch die Fusionstechnik wird - wenn überhaupt - erst nach 2050 bereitstehen. Bis dahin müssen wir die Energiewende längst vollzogen haben. Merkels Vision zeigt vor allem eines: Schwarz-Gelb ist bereit, der Atomtechnik die längste Brücke der Welt zu bauen. Die erneuerbaren Energien bleiben dagegen auf der Strecke. Die Atomlobby darf sich freuen, Umwelt und Gesellschaft werden es bezahlen.







Diesen Irrsinn lassen wir nicht zu. Zum Tschernobyl-Tag am 26. April werden Grüne zusammen mit anderen Anti-Atom-Aktivisten auf die Straße gehen. Der Kampf gegen den Ausstieg aus dem Atomausstieg fängt jetzt erst an. Wir werden alle zivilen, parlamentarischen und notfalls auch rechtlichen Wege nutzen, um den schwarz-gelben Atom-Deal zu kippen. Dabei brauchen wir viel Unterstützung. Nur gemeinsam kommen wir aus dieser Sackgasse wieder heraus.

Sylvia Kotting-Uhl

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